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Zwei Frauen liegen im Bett und umarmen sich

Achtsamkeit und Sex

ArtikelLesezeit: 4:30 min.

Der Weg ist das Ziel – das gilt besonders auch für achtsamen Sex. Statt die Reize immer weiter zu steigern, geht es darum, sie intensiver wahrzunehmen. Wie wir so zu einem erfüllten und entspannteren Sexleben kommen, erklärt die Psychologin und Sexualtherapeutin Nele Sehrt im Interview.

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Die Expertin zum Thema

Nele Sehrt

Diplom-Psychologin, Paar-, Sexual- und Traumatherapeutin,
betreibt in Hamburg ihre eigene Praxis

Frau Sehrt, was ist achtsamer Sex?

Redaktion

Bisher haben wir in einem Porno-Zeitalter gelebt: Das Ziel, meistens der Orgasmus, stand im Mittelpunkt. Aber Studien zeigen: Je mehr ich mich auf das Ziel konzentriere, desto lustloser werde ich. Denn um etwas zu genießen, interessiert den Körper nicht, ob ich dann besser einschlafe, Druck abgelassen habe oder ein orgastisches Gefühl hatte. Stattdessen genießen wir viel mehr, wenn wir den Weg an sich achten – also indem wir uns etwa Zeit für Sex nehmen, auf den anderen eingehen oder uns auf die Berührungen konzentrieren.

Nele Sehrt

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Wie geht das?

Redaktion

Zwei Dinge können dabei hilfreich sein: Slow Sex und Soul Sex. Bei Slow Sex geht es nicht darum, die Reize zu erhöhen – sondern es geht darum, die bereits vorhandenen Reize zu intensivieren. Das ist wie wenn ich einen Weg langjogge: Am Ende kann ich vielleicht sagen, dass ich zwei Bäume gesehen habe. Aber wenn ich den Weg achtsam entlangspaziere, sehe ich vielleicht neben den zwei Bäumen noch einen Marienkäfer einen Grashalm hochklettern. Durch die Langsamkeit intensiviert sich die Wahrnehmung. Dann finden wir vielleicht heraus, dass uns zum Beispiel das Knabbern am Ohrläppchen eher nervt als Spaß macht. Wir können so schrittweise herausfinden, was uns wirklich gefällt.

Nele Sehrt

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Etwas langsamer machen, sich Zeit nehmen … Klingt an sich gut. Aber kann solch ein Sex auch in einem stressigen Alltag funktionieren?

Redaktion

Das ist eher unwahrscheinlich.

Nele Sehrt

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Warum?

Redaktion

Wenn man viel um die Ohren hat, braucht es einen noch intensiveren Sex, um einen aus dem Alltag zu holen. Generell ist es so, dass gestresste Menschen Sex eher benutzen, um entspannter zu werden. Die Frage ist: Wie lange macht der Partner das mit? Vielleicht möchte der Partner, dass man mit ihm schläft, weil es um die Verbindung zwischen den beiden geht. Und nicht, damit einer entspannter wird. Dann muss man eine Entscheidung treffen. Denn man kann nicht Leistung bringen und einen stressigen Alltag haben und dann noch achtsamen Sex als To do hinten dranpacken.

Nele Sehrt

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Und was ist Soul Sex?

Redaktion

Beim Soul Sex geht es vor allem darauf zu achten, wie ich mich dabei fühle. Es begegnen sich zwei Körper, aber immer auch Gefühle und Menschen. Bei Soul Sex bringe ich mich selbst ein – mit all meiner Verletzlichkeit, Zartheit und meinen Ängsten.

Nele Sehrt

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Wie kann man denn in dem Fall seine Ängste zeigen?

Redaktion

Ich kann zum Beispiel mit meinem Partner darüber reden: „Ich hätte Lust, die Führung mal zu übernehmen, bin mir aber total unsicher“. Dann geht es vielleicht nicht darum, dass es sofort klappen muss. Das ist ja wie eine Prüfungssituation. Sondern der Partner kann in dem Moment vielleicht geduldiger reagieren. Und Sie können gemeinsam etwas Neues gestalten.

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Worauf kommt es beim achtsamen Sex an?

Redaktion

Viele achten beim Sex nur auf das Eindringen – doch das braucht guter Sex ja nicht einmal. Beim achtsamen Sex geht es eher darum, den Fokus mehr auf die Erregung zu lenken. Es hilft, zu schauen: Was brauche ich eigentlich, damit ich Erregung spüre? Brauche ich Komplimente, einen Körper nah an meinem oder etwas ganz anderes? Und wenn wir uns dann gegenseitig berühren, also stimulieren: Wie stark, wie schnell sollte das sein?

Nele Sehrt

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Und darüber hilft es vermutlich, dann zu reden.

Redaktion

Genau, auch mitten beim Sex. Denn diese Erregungen können sich ja durchaus ändern.

Nele Sehrt

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Was ist denn, wenn ich total Lust auf achtsamen Sex habe, aber mein Partner nicht? Wie kann ich ihn überzeugen?

Redaktion

Überzeugen kann schwierig werden. Vielmehr geht es um die Frage, ob man den anderen dafür begeistern kann. Denn letztendlich geht es nicht darum durchzukriegen, was nur die eine Person will. Es hilft, den Partner abzuholen: Warum interessiert mich das Thema? Was erhoffe oder wünsche ich mir von diesem Weg? Worauf bin ich neugierig? Vielleicht hat der Partner gerade aus guten Gründen keinen Kopf dafür. Dann kann man das immer wieder mal ansprechen oder fragen, was es braucht, damit da Lust und Neugierde entstehen kann.

Nele Sehrt

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Wie würde man dann darüber sprechen?

Redaktion

Sie könnten zum Beispiel sagen: „Ich würde gerne ausprobieren, wie es ist, wenn wir uns langsamer bewegen“. Oder Sie könnten Wünsche äußern – etwa, dass Sie sich freuen würden, wenn der andere Sie an einer bestimmten Stelle berührt. Es hilft aber auch den anderen zu fragen: „Woran merke ich eigentlich, dass es dir gefällt“?

Nele Sehrt

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Kann achtsamer Sex denn auch meine Partnerschaft verbessern?

Redaktion

Vielleicht eher der Gedanke, der dem zugrunde liegt: Dass man seine eigenen Muster beim Sex hinterfragt. Wir haben gerade eine große Wende im Bereich Beziehungen und Sexualität. Wir beginnen uns gerade von dem Bild zu lösen, was uns durch Pornos und Co. vermittelt wird. Das ist, finde ich, eine gute Entwicklung. Jedes Paar hat seinen ganz persönlichen Weg zu erfüllter Sexualität, der von beiden gewollt wird und der sich verändern darf.

Nele Sehrt

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